Donnerstag, 21. Mai 2015

Erwachsenwerden

Wieder ein Thema, das mich persönlich zurzeit sehr stark anspricht. Einfach, weil ich selbst gerade im Prozess des „Erwachsenwerdens“ stecke. Und zwar so richtig.

Wo fängt Erwachsenwerden an, wo hört es wieder auf, wie wird man überhaupt erwachsen und was bedeutet das eigentlich?

Fangen wir vorne an.

Erwachsenwerden fängt ja angeblich in der Pubertät an. Jaja, die allseits so beliebte Pubertät, die uns, gekennzeichnet durch Stimmungsschwankungen, nächtliche Fressattacken, spontane Heulkrämpfe und eine „Ich will mich nur noch im Bett verkriechen, weil ich mich selbst nicht leiden kann“-Stimmung, das Leben schwer macht.
Ich denke allerdings, dass man Erwachsenwerden nicht pauschal auf ein bestimmes Alter festsetzen kann. Erwachsensein hat nichts mit dem Alter zu tun, sondern eher mit der Reife, wie verhält man sich, wie tritt man auf, wie artikuliert man sich und und und.
Dabei kann es sein, dass ein 14 Jähriges Mädchen genauso erwachsen wirkt, wie eine 25 Jährige Frau, es kann aber auch sein, dass sich ein 20 Jahre alter junger Mann so verhält, wie ein 12 Jähriger. Und andersrum.
Manche Kineder und Jugendliche müssen halt auch einfach aus gegebenen Umständen früher erwachsen werden als andere, die vielleicht entweder später oder nie das Kind in ihnen ablegen.

Ich für meinen Teil finde, dass man immer ein bisschen Kind in sich aufbewahren und in ausgelassenen Momenten mit Freunden rauslassen sollte. Einfach weil manchmal ein bisschen kindisch und albern und aufgedreht sein nichts Verwerfliches ist, sondern nur zeigt, dass man sich selbst nicht ständig so ernst nimmt und das ist doch eigentlich eine ganz gute Eigenschaft!

Erwachsenwerden hört meiner Meinung nach auch nie auf, man entwickelt sich sein Leben lang weiter, macht neue Erfahrungen, lernt aus seinen Fehlern. Und Menschen, die zum Beispiel mir ständig sagen „Kannst du dich nicht mal wie 'ne Erwachsene benehmen?!“ überhöre ich grundsätzlich, weil nein. Kann ich nicht, will ich nicht, mag ich nicht, wenn ich Kind sein möchte, weil ich glücklich bin, dann verhalte ich mich auch dementsprechend, würde ja dumm aussehen, wenn ich auf einem Konzert stocksteif in der Menge stehe und mich nicht rühre, weil „Erwachsene sich ja benehmen müssen“.

Ich muss, bevor ich jetzt weiterschreibe, noch sagen, dass ich Pädagogik Leistungskurs in der Schule hatte und vorhabe etwas in der Richtung zu studieren, falls sich jemand fragt, woher diese ganzen Gedanken kommen. Wir haben uns sehr viel mit dem Thema Jugend und Erwachsenwerden beschäftigt und auch die Schwierigkeiten in der heutigen Gesellschaft dargelegt, die Kinder oft daran hindern sich weiterzuentwickeln oder in ihren Ideen und Wünschen verunsichert werden.

Man kann deutlich feststellen, dass wir in einer postmodernen und konsumorientierten Marktgesellschaft leben, man muss immer auf dem neusten Stand sein, das beste Handy haben, den teuersten Urlaub buchen, die schönsten Klamotten tragen. Dabei werden wir von Werbung beeinflusst, Werbung, die mehr verdummt, als fördert oder unterstützt. Der Konsum steht in der Postmoderne einfach im Vordergrund und lenkt vom Wesentlichen ab.

Immer noch denken so viele, dass man rauchen und Alkohol trinken und alle Drogen „mal ausprobieren“ muss, um cool zu sein, dass man nur dazugehört, wenn man Nikes und Vans besitzt und sich jedes Wochenende auf einer anderen Party rumtreibt. Wenn man lieber Zuhause bleibt, Bücher liest, weite Pullis, ausgewaschene Jeans und 5 Jahre alte Schuhe trägt, weil da halt nun mal Erinnerungen dran hängen gehört man gleich nicht dazu und wird als komischer Kauz tituliert. Danke auch.

I wish that I could be like the cool kids, 'cause all the cool kids they seem to fit in – dieses Songzitat (Echosmith – Cool Kids) ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie sich Kinder heutzutage fühlen. Jeder, wirklich jeder wollte schon mal irgendwo dazugehören oder hat sich ausgeschlossen gefühlt, natürlich kann man mit der Situation alleine und für sich zu sein auch glücklich sein, aber auf Dauer keine Freunde zu haben ist wirklich nicht unbedingt das, was man als Jugendlicher braucht. In dem naiven jugendlichen Wahn und Wunsch allen gefallen zu wollen vergisst man auch irgendwann, dass man sich ja auf sich selbst konzentrieren muss, um erwachsen zu werden, eine eigene Meinung zu bestimmten Themen zu entwickeln und sich auf das zu besinnen, was – laut den Erwachsenen – wirklich wichtig im Leben ist.

Es wird immer deutlicher, dass Erwachsenwerden in der heutigen Zeit einfach schwieriger geworden ist.

Früher musste man als Junge den Beruf erlernen, den der Vater und der Großvater und der Urgroßvater schon ausgeübt haben, als Mädchen musste man sich auf die Aufgabe der Hausfrau vorbereiten. Man hatte keine großen Auswahlmöglichkeiten und musste sich keine Gedanken darum machen, was man später mal werden möchte, weil alles schon vorgegeben war und alle waren zufrieden damit.

Aber irgendwann begann die Emanzipation der Frau, viele wollten nicht mehr nur am Herd stehen und putzen, fühlten sich unterdrückt und können heute (leider immer noch nicht überall) auch zur Schule gehen und einen Beruf erlernen. Problem hierbei ist nur, dass man heutzutage so unfassbar viele Möglichkeiten hat:
Geh ich studieren oder mach ich eine Ausbildung, mach ich ein Auslandsjahr während meiner Schulzeit und wiederhole eine Klasse oder mach ich das – wenn überhaupt – erst nach der Schule, will ich vielleicht Work & Travel oder Au Pair in einem Land machen, das ich noch nie besucht habe oder das mir sehr am Herzen liegt oder mach ich doch ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ), viele Fragen und nur eine Antwortmöglichkeit. Man muss viel zu früh entscheiden, was man sein Leben lang machen möchte, und um das zu entscheiden, ist man mit 16, 17, 18 Jahren meiner Meinung nach einfach wirklich viel zu jung. Und wenn jemand den Mut fasst direkt nach dem Abitur studieren zu gehen, wissen die meisten nicht mal was und studieren dann BWL oder Lehramt oder „Irgendwas mit Medien“. Klar, alles super Berufe, aber wenn man dann mitten im Studium nach 1, 2 Jahren erkennt, dass das doch nicht das Richtige war und man eigentlich lieber zur Polizeischule gegangen wäre – ja dann ist das doof.

Erwachsenwerden wird nicht nur durch die frühe Berufswahl oder den Wunsch nach Anerkennung beeinflusst. Viele Kinder und Jugendliche flüchten sich und ihre Unsicherheiten schon früh ins Internet, wollen auf sozialen Netzwerken nach Antworten und Anerkennung suchen und vergessen das reale Leben. Das, was auf Jugendliche heutzutage medial einstürzt, ist unfassbar. Egal ob im Fernseher, im Radio, auf Twitter, Facebook, Instagram, Snapchat, YouTube und und und, man wird permanent mit Informatinen zugespamt und weiß irgendwann überhaupt nicht mehr, wie man differenzieren und damit umgehen soll.
„Der Sinn des Lebens ist leben“, sagt Casper, aber wie soll man leben, wenn man den ganzen Tag damit beschäftigt ist für die Schule zu lernen, bevor man abends ins Bett fällt, wann soll man die Zeit als Jugendlicher finden wirklich zu leben, wenn man 12 Jahre zur Schule geht und danach direkt studiert, mit Mitte 20 fertig ist (wenn man Glück hat) und danach direkt (oder schon während des Studiums) arbeiten geht? Sicherlich findet man immer mal wieder die Zeit sein Leben zu genießen und Momente auszukosten in denen man mal nicht vor den Lernkarten sitzt, aber auch die vergehen und dann ist man im gleichen Trott drin wie vorher auch.
Und das nur, weil alle verlangen, dass man irgendwann erwachsen wird, Kinder kriegt, ein Haus mit Garten baut, sich einen Labrador anschafft und jeden Samstagmorgen mit seinen alten Freundinnen zum Walken geht, um sich mal „abzureagieren“.

Ich persönlich hab da wirklich keine Lust drauf, sicher will man irgendwann mal „erwachsen“ werden, aber ich möchte nicht für den Rest meines Lebens in einer Rolle stecken und mich nicht mal entfalten dürfen, nur weil ich ja erwachsen bin. Ich möchte immer ein bisschen Kind bleiben und selbst wenn die Pflichten einen irgendwann übermannen und man doch in dieses „Familie Haus Hund“ Schema rutscht, selbst dann will ich noch verrückte Dinge unternehmen und nicht ständig daran denken müssen, dass Erwachsene das nicht tun, weil Erwachsene sich benehmen und eine Aufgabe haben – Erwachsensein nämlich.

So viele Menschen versuchen krampfhaft erwachsen zu werden und ich kann wirklich nicht nachvollziehen warum? Erwachsensein ist anstrengend, man muss Versicherungen abschließen, Steuern zahlen, das Auto in die Waschanlage bringen, damit die Nachbarn nicht lästern, man muss den Haushalt schmeißen UND arbeiten, man muss einfach so viele Dinge selbst regeln. Kindsein ist doch so viel schöner, sich selbst und sein Leben manchmal nicht ganz so ernst nehmen und einfach mal albern und peinlich sein ist doch nichts Verwerfliches. Einfach, weil Glücklichsein nichts Verwerfliches ist.

Wenn man das jetzt alles zusammenfassen will, lässt sich eigentlich nur sagen, dass es jedem selbst überlassen ist, wann und ob er oder sie überhaupt erwachsen werden will und was er oder sie darunter überhaupt versteht. Aber eins ist klar, Erwachsenwerden ist vor allem heute so unfassbar anstrengend und Leben ist manchmal so anstrengend und ein Kampf und verwirrend, wenn man in der Pubertät steckt und sich zwangsweise über seine Zukunft Gedanken machen muss. Aber irgendwie muss es ja weitergehen. The Show must go on! oder wie heißt es so schön?

So, nächster Post ist fertig, demnächst folgt dann einer über Feminismus, mal schauen, ob ich da vor dem ESC noch die Zeit für finde (finde ich sowieso nicht hihihihi, aber vielleicht schreib ich den ja bis Sonntag fertig)!

Liebe Liebe Liebe


Vivi.

1 Kommentar:

  1. Zunächst mal: ENDLICH schaffe ich es hier vorbei zu schauen, nach dem ich so viele positive Tweets gesehen habe! Kann ich auch alles verstehen, denn du hast eine schön formulierte Aussprache und das auch in einer logischen und durchdachten Reihenfolge.

    Erwachsen sein/werden ist ein verdammt wichtiges Thema (*hust* Erikson 5.Phase *hust* *hust* Identitätsfindung *hust*) und wie du bereits sagtest, ist das gerade in der heutigen Zeit ein um so wichtigeres Thema! Ich würde mich freuen, wenn auch die Schulen dieses aufgreifen, aber da kommen dann vermutlich wieder die "wir haben keine Zeit/kein Personal dafür" Sprüche.

    Persönlich für mich bin ich mit meinen 22 Jahren noch nicht Erwachsen. Das kann ich aber auch "nur" mit einem Gefühl erklären, dass mir sagt, mich noch nicht bereit zu fühlen in den ganzen Trott von Arbeit, Familie, Tod zu treten. Drastisch gekürzt, aber genau so fühlt sich das an .. anfangen zu arbeiten, Familie gründen, eigenes Haus und dann sterben .. davor noch am besten Enkelkinder haben. Für den Schritt fest zu arbeiten, bin ich für mich aber noch nicht bereit, da ich mich noch viel zu wenig habe ausprobieren und einfach leben können. Erst das und dann die auferlegten Zwänge für das Erwachsensein, was die Liebe Gesellschaft erschaffen hat.

    lg,
    Franzi
    (kopfvsherz.wordpress.com)

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