Das
Thema „Deutsches Schulsystem aus der Sicht von Schülern“ lässt
sich meiner Meinung nach nicht kurz halten. Man kann die Probleme,
die immer offensichtlicher werden, nicht in einen 140 Zeichen Tweet
stecken, der von Gedichtsinterpretationen in 3 Sprachen handelt. Man
kann die Schuld nicht nur auf eine einzige Person schieben und man
kann allgemein über das Thema Schule stunden-, wochen- und jahrelang
debattieren und diskutieren. Zu einem Ergebnis würde man trotzdem
nicht kommen.
Wenn
man nach einer Einleitung, einem Hauptteil und einem Schluss sucht,
muss man den Kontext schon ziemlich intensiv durchwühlen und selbst
dann blickt man in dem ganzen Bildungswesensdurcheinander kein
bisschen durch.
Dennoch
gibt es ein paar Grundthemen, über die sich die Öffentlichkeit
permanent aufregt, und genau da möchte ich hier weitermachen. Ich
möchte mich auch mal so richtig aufregen.
Ich
bin jetzt 18 Jahre alt, mache gerade mein Abitur, habe alle Prüfungen
hinter mir und kann also ein Résumé ziehen.
Wenn
ich den Satz „Jaja, wenn du erwachsen bist, wirst du dich noch nach
deiner Schulzeit sehnen!“ höre, will ich schon schreien und um
mich schlagen. Die einzige Zeit, die ich vermissen werde, ist die
Grundschulzeit (obwohl auch die durch Mobbing überschattet wurde),
weil man da noch Kind sein durfte. Weil man da noch genug Zeit hatte,
um den Stoff zu lernen. Weil man da noch nicht drei Arbeiten in einer
Woche geschrieben hat, während man sich auf zwei Referate
vorbereiten, eine Unterrichtsstunde gestalten und sich Ausreden
ausdenken musste, damit man nicht beim Schwimmunterricht mitmachen
musste.
Ich
muss ehrlich gestehen, ich bin gerne zur Schule gegangen, bis
zuletzt. Einfach weil man einen geregelten Tagesablauf hat, weil man
nicht so viel über sich selbst nachdenken konnte und weil man
einfach etwas hatte, hinter dem man sich verstecken konnte. Einen
Schutz, eine Sicherheit.
Trotzdem
muss ich sagen, dass ich, sobald ich erfahren habe, dass G8
eingeführt werden soll, einfach nur weinen und mich verkriechen
wollte. Ensthaft, wer hat sich diesen Müll ausgedacht, wer hat sich
PISA ausgedacht, welcher Idiot saß irgendwann an seinem Schreibtisch
und dachte „Poah, die Welt hat ja nicht schon genug Probleme, lasst
uns eine Studie einführen, die dafür sorgt, dass sich Schüler
aufgrund des Drucks durch wöchentliche Tests, massenweise
Hausaufgaben und 10 Stunden Unterricht am Tag irgendwann alle
umbringen wollen! Ist doch witzig!“
Ich
will wirklich einfach nur schreien. Ich kann natürlich nur für mich
sprechen, aber wenn ich Sätze wie „Unserer Jugend fehlen wichtige
Grundkenntnisse in Mathemathik und naturwissenschaftlichen Fächern!“
lese, möchte ich meinen Kopf nur noch gegen die Wand schlagen. Es
ist wirklich SCHEIßEGAL, wie gut man in Mathe oder Physik oder
Chemie ist, wenn man sich nicht vorstellen kann in einem dieser
Themengebiete zu arbeiten.
Was
ich persönlich WIRKLICH gerne in der Schule gehabt hätte, anstelle
von solchen theoretischen Fächern mit denen ich nie wirklich etwas
anfangen konnte, wäre etwas Praktisches. Kochen, Handwerken,
Hauswirtschaft. So was halt. Ich weiß, dass es immer noch vereinzelt
Schulen gibt, die so etwas lehren, aber wieso ist das nicht mehr
deutschlandweit ein Thema?
Ich
möchte nicht behaupten, dass ich durch die Schule nichts gelernt
habe, aber ich werde niemals später im Supermarkt stehen und
berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit das ungeschnittene Graubrot
oben rechts im Regal in einem 90 Grad Winkel auf den Boden fällt.
Aber
an den Herd traue ich mich ohne Aufsicht oder zumindest einem Telefon
in der Nähe (falls doch die Feuerwehr kommen muss) nicht, beim Nähen
muss ich aufpassen, dass ich meinen Finger nicht an das Kissen nähe
oder verblute, Möbel zusammenbauen habe ich mir selbst beigebracht.
Natürlich
haben die Eltern einen großen Teil dazu beizutragen, dass ihre
Kinder die grundsätzlichen Dinge des Lebens erlernen. Aber trotzdem,
wieso darf man nicht einfach selbst entscheiden, welchen Schulweg man
in seinem Leben gehen möchte? Wieso kann man nicht sagen „Hey, ich
würde gerne ein Jahr anstelle von Mathe den Kochkurs belegen!“?
Sicher, das würde ein riesiges Durcheinander mit den Kursen geben
und es würden auch nicht alle Wünsche erfüllt werden können. Aber
irgendwo anzufangen die Schüler in einem DEMOKRATISCHEN politischen
System miteinzubeziehen wäre ja schon mal ganz nett.
Ich
will hier jetzt auf keinen Fall sagen, dass meine Vorschläge perfekt
sind, denn das sind sie nicht. Es sind wohl eher Wunschvorstellungen
einer frustrierten Jugendlichen, die sich 12 Jahre durch die
Schulzeit gequält und es einfach satt hat.
Dennoch,
hier ein Auslöser für meinen Hass gegen die Bildungspolitik:
Ich
habe nach der 9. Klasse Französisch abgewählt – aus Gründen.
Ich
habe mich dann für Spanisch entschieden, da es meiner Muttersprache
italienisch sehr nahe kommt (und ich Physik und Chemie abwählen
wollte).
Sicherlich
habe ich in den 3 Jahren Spanisch einiges lernen dürfen. Zum
Beispiel könnte ich mich fließend über die Immigration zwischen
Afrika und Spanien unterhalten. Oder Kinderarmut. Oder einen
spanischen Roman, dessen Inhalt ich bis heute wiedergeben kann, ohne
ihn jemals richtig verstanden zu haben.
Die
Frage ist jetzt nur: Werde ich jemals nach Mallorca in den Urlaub
fliegen und mich mit einem Einheimischen darüber unterhalten, welche
Vor- und Nachteile die Agrarwirtschaft hat? Oder will ich einfach nur
nach der besten Tapasbar fragen? Ich denke, dass sich das selbst
beantwortet.
Man
lernt in der Schule mit absoluter Sicherheit irgendwas, aber mir
stellt sich die Frage danach, ob der Stoff, den man sich vor
Klausuren in sein Kurzzeitgedächtnis prügelt, um seine Leistungen
wenigstens dann erbringen zu können, auch wirklich unbedingt
notwendig ist. Alle Lehrer beschweren sich ständig darüber, dass
sich ihre Schüler nicht für den Unterricht interessieren, aber ist
das bei Themen, die einem für das weitere Leben eigentlich nur wenig
oder wenn nur kurzzeitig etwas bringen, ein Wunder?
Und wo
wir ja jetzt schon beim Kurzzeitlernen angekommen wären, stellt sich
eigentlich nur noch die Frage. Was stellt der ganze Mist überhaupt
mit Kindern und Jugendlichen an?
Diese
ganzen Bildungsminister und Anzugträger, die behaupten die große
Ahnung von allem und jedem innerhalb eines Schulgebäudes zu haben,
haben in Wirklichkeit mit hunderprozentiger Sicherheit seit Jahren,
wenn nicht Jahrzenten, keine Schule mehr von innen gesehen. Die haben
ihre Sekretäre, die ihnen statistische Informationen zum Mund reden
und aufgrund dieser dann einfach beschließen, Schulsysteme mehrmals
im Jahr einfach umzuwerfen.
Nur
für diese scheiß Statistik.
Aber
was die meisten dieser Möchtegernschlaumeier vergessen ist, dass
Schüler Menschen sind. Wir sind einfach nur Menschen. Kinder und
Jugendliche, die unter dem ganzen Schulstress und Leistungsdruck so
leiden, dass sie ihre Persönlichkeitsausbildung total in den
Hintergrund schieben und sich gar nicht darauf konzentrieren können,
überhaupt eine Identität zu entwickeln, weil sie beschäftigt sind
Leistung abzuliefern. Leistung, Leistung, Leistung.
Was
für Stoff vermittelt wird ist mittlerweile schon scheißegal, die
Hauptsache ist doch, dass Deutschland im internationalen
statistischen Vergleich gut abschneidet und sich mit guten
Ergebnissen brüsten kann. Aber haben Industriestaaten so etwas
wirklich nötig? Gibt es nicht wichtigere Dinge auf der Welt, um die
man sich wirklich kümmern sollte?
Das
Schlimmste ist allerdings, dass es den meisten überhaupt nicht
auffällt, wie krank Schüler durch die Schule werden. Dabei spreche
ich von psychischen Krankheiten wie Depressionen oder Angststörungen,
von Panikattacken, Versagens- und Zukunftsängsten. Es stehen uns
Jugendlichen in dieser modernen Welt so viele Türen offen und wir
haben überhaupt nicht die Zeit hinter jede dieser Türen zu schauen,
zu entdecken, was dahinter ist, und zu entscheiden, welcher Weg für
uns der richtige ist. Wir werden durch hohe Erwartungen von ganz oben
oder auch von der Familie in eine Rolle gezwängt, in die man gar
nicht reinpasst und auch gar nicht reinpassen will.
Und
wieder stellt sich die Frage: Wann werden die Schüler denn mal
gefragt?
Ist es
heutzutage wirklich normal, dass einer von zwei Schülern an
Depressionen leidet und mit Sicherheit jeder von ihnen bereits in
jungen Jahren Zukunftsängste hat? Ist es wirklich normal geworden,
dass die Welt die Augen davor verschließt, wenn sich Jugendliche von
Brücken stürzen, weil sie mit dem ganzen sozialen Druck, der auf
ihnen lastet, nicht umgehen können? Wenn das wirklich Normalität
ist, dann möchte ich kein Teil dieser Gesellschaft mehr sein.
Freizeit
ist für Schüler heutzutage ein Fremdwort, entweder, weil sie ihre
gesamte Zeit Zuhause mit lernen, Hausaufgaben und
Referatsvorbereitungen verbringen, oder weil sie sich in ihren
Depressionen im Bett verstecken und schlafen, schlafen, schlafen,
sich gar nicht mehr für ihre Noten interessieren, ist ja eh alles
egal, ich packs ja eh nicht. Oder weil sich manche einfach das Hirn
wegsaufen und wegkiffen und wegrauchen und wegfeiern, einfach nur, um
ihren Problemen zu entfliehen, die Jugendliche nun einmal
verständlicherweise haben und die sie nicht einfach so bewältigen
können. Oder weil sie Wendy lesende Voltigierkünstler,
Ballettänzer, Geigenspieler, Pfadfinder und Messdiener sind.
Mich
macht die gesamte Situation einfach nur sauer. Ich habe das Gefühl,
dass das Bildungssystem schon lange nicht mehr demokratisch ist und
ich will nichts heraufbeschwören oder sonst was, aber das, was
zurzeit da oben abgeht, nimmt schon diktatorische Züge an. Man
sollte sich mal darüber klar werden, was wichtiger ist,
Arbeitskräfte, die jede Woche krank sind, die sich in ihren Gebieten
nicht richtig auskennen (können), die schon früh Burn Outs
erleiden. Oder Arbeitskräfte, die mehr Zeit zum Lernen hatten, die
mit Leidenschaft in ihrem Beruf arbeiten, die sich auskennen.
Das
Traurige ist, dass man nichts an der derzeitigen Situation ändern
kann. Man kann demonstrieren, Briefe an das Bildungsministerium
schicken, Petitionen unterschreiben lassen. Aber im Endeffekt machen
doch eh alle, was sie wollen. Und eigentlich bringt es gar nichts,
sich darüber aufzuregen. Aber trotzdem, Oma, Opa: Schule ist nicht
so einfach wie ihr immer denkt. Schule ist anstrengend, Schule ist
stressig, Schule nimmt dir die Möglichkeit dich selbst zu entwickeln
und auch mal Freizeit zu haben und das nur, weil irgendwelche Heinis
sich irgendwann überlegt haben, dass ihre tollen deutschen Schüler
nicht die Leistungen in bestimmten Bereichen erbringen, die sie sich
erhofft hatten.
Applaus
Deutschland, du verdienst einen Orden für deine grandiose
Bildungspolitik.
Bevor
ich noch einen Herzinfarkt bekomme, verabschiede ich mich von diesem
Blogpost, eigentlich sollte ich den nochmal überlesen und auf
Rechtschreibfehler überprüfen, aber ich glaube, dass es nicht ganz
so gut für meinen Blutdruck wäre, wenn ich mich jetzt weiterhin mit
diesem Thema befasse.
Also,
bleibt stark!
In
Liebe, Vivi.
auf den punkt. mehr hab ich dazu nicht zu sagen.
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